Die Bergbahn Pillersee betreibt ein kleines aber sehr feines Familien-Skigebiet in den Kitzbüheler Alpen, dessen 22 km Pisten sich über die Orte St. Ulrich, St. Jakob und Hochfilzen erstrecken. Bei der Talstation der 4SB Buchensteinwand befindet sich sogar Tirols zweitgrößter BOBO-Kinderpark! Die Zukunft sieht man hier aber nicht nur beim Nachwuchs, sondern u. a. auch im zunehmenden Trend des Tourenskigehens. Wir sprachen mit Paul Günther über die Erfahrungen mit seiner neuen „Tourenski World Pillerseetal.“

Paul Günther, Aufsichtsratsvorsitzender BB Pillersee Foto: Runnersfun

MM: „Herr Günther, schildern Sie bitte zunächst Ihren Werdegang in die Seilbahnbranche und alle sonstigen Funktionen.“Günther: „Ich betreibe seit 40 Jahren das Intersport Fachgeschäft Günther in St. Ulrich, das bis heute ständig weiter entwickelt wurde. Von 1980 bis 1995 war ich auch Skischulleiter in unserer Region und wechselte 1996 zur Bergbahn Pillersee, wo ich schließlich im Jahr 2000 als Hauptverantwortlicher die Funktion des Aufsichtsratsvorsitzenden übernommen habe (als GF agiert Manfred Bader). Außerdem war ich viele Jahre Gemeinderat und 6 Jahre Vizebürgermeister. Die Bergbahn mit ihren 8 Aufstiegsanlagen (2 Vierersessel und 6 Lifte) ist im Besitz von 44 Gesellschaftern, wobei ich mit 82 % der Mehrheitseigentümer bin.“MM: „Wie ist euer Skigebiet positioniert, welche Zielgruppen bedient ihr?Günther: „Wir sind ein Familienskigebiet mit einer Skischaukel zwischen den Orten St. Ulrich, St. Jakob und Hochfilzen. Man kann also bei uns von der Schattenseite auf die Sonnenseite fahren und retour. Im Tal unmittelbar neben dem Parkplatz befindet sich auf 20 000 m2 Fläche der zweitgrößte BOBO-Kinderpark Tirols sowie das Gasthaus Buchwandblick. Diese Platzierung sowie der gesamte Hochleiten-Hang ist also ideal für Anfänger und da auch das Restaurant auf der Bergstation zur Bergbahn gehört, ist bis zum Sportshop alles in einer Hand! Wir bieten aber auch rasante Abfahrten und eine permanente Rennstrecke. Weiters spielen bei uns die Sportarten Langlaufen (110 km regionales Loipennetz) und Tourenskigehen eine wichtige Rolle. Aus diesem Grund gehen auch vom Parkplatz die Loipen weg sowie seit vorigen Winter die Aufstiegsstrecken für die Tourenskigeher.“

Ski Buchensteinwand: das klassische Familienskigebiit im Pillerseetal. Fotos: BB Pillersee (3)

MM: „Ihr habt ja letzten Winter sogar eine komplette ,Tourenski-World‘ installiert! Warum habt ihr euch zu diesem Schritt entschieden?“Günther: „Ich bin einerseits selbst ein begeisterter Tourengeher und andererseits durch meine Sportgeschäfte permanent mit der Thematik konfrontiert, dass viele Kunden Tourenausrüstung kaufen und dann natürlich auch z. B. auf die Buchensteinwand gehen wollen – Verbote wären hier kontraproduktiv. Aus dieser Problematik heraus machte ich mir Gedanken, wie ich dem Konflikt entgegenwirken könnte. Ich bin mehrmals selber aufgestiegen und habe mir dabei überlegt, wo man eine Aufstiegsspur anlegen könnte, die den Liftbetrieb nicht stört. Während dieses Prozesses wurde die Firma Runnersfun auf uns aufmerksam und hat die Problematik übernommen bzw. meine Vorschläge sehr professionell umgesetzt. Das war absolut notwendig, denn nur dadurch ist z. B. ein Folder entstanden und Sponsoren konnten gewonnen werden, was wiederum ein optimales Marketing ermöglichte. Wir sind also im Gegensatz zu anderen Gebieten den Weg der Problemlösung gegangen. Außerdem betreiben wir wie o. e. das Berggasthaus auf 1 556 m und erzielen dabei eine Umwegrentabilität mit den Tourenskigehern.Die Lösung sieht konkret so aus, dass die Leute täglich bis 16 Uhr während des Liftbetriebes aufsteigen und dann auf irgendeiner Abfahrt ins Tal fahren können – sei es auf der präparierten Piste oder im Freigelände. Zweimal pro Woche, Dienstag und Freitag, gibt es den Tourenabend, an dem die Berggastronomie bis 22 Uhr geöffnet ist und die Tourenskigeher mit Stirnlampen die im Plan ausgewiesenen bzw. markierten Routen auch nach 16 Uhr begehen können. Als Abfahrt steht allerdings nur die Piste Nr. 3 zur Verfügung. Dies wird extra offen gehalten und als letzte präpariert. Diese Taktik hat letzten Winter bereits super funktioniert!“MM: „Gibt es noch weitere Beweggründe als den Interessenkonflikt zu lösen?“Günther: „Es geht uns sehr wesentlich darum, keine Gruppe auszuschließen. Man hat ja diese Leute bereits im Gebiet oder im Sportgeschäft, dann soll man mit ihnen auch etwas Konstruktives anfangen. Die erste Werbung ist bereits, dass diese Kunden schon im Sportgeschäft erfahren: der steht hinter uns! In Folge konsumiert dieses Klientel auch gerne in unseren beiden Gaststätten – das ist allgemein ein ,Muss‘ bei jeder Skitour. Zusätzlich ist angedacht, eventuell eine Tourenkarte zum Preis von ca. 9,90 Euro/Tag aufzulegen. Diese beinhaltet die Benützung der Infrastruktur (Parkplatz, Toiletten etc.) sowie zwei Wiederholungsfahrten am Berg mit dem Gipfellift (4er Sessel) und ein Getränk im Berggasthof Buchensteinwand. Allerdings besteht keine Verpflichtung zum Kauf einer solchen Karte, die Sache beruht auf freiwilliger Basis. Wer nur einmal hinaufgehen will und z. B. keine Liftfahrten oben konsumieren will, um dadurch noch mehr Höhenmeter beim Aufstieg zusammen zu bringen, kann dies auch weiterhin kostenlos tun. Wir denken auch über eine Saisonkarte nach, allerdings besteht hier eine Problematik mit dem abzurechnenden Konsum im Gasthaus. Den Weg, eine bloße Parkplatzgebühr einzuheben, wollen wir aber keinesfalls einschlagen.“

BOBOS Kinderpark ist der zweitgrößte in Tirol.

MM: „Wie sieht das Angebot konkret aus?“Günther: „Am Parkplatz ist eine große Orientierungstafel mit den Strecken aufgestellt, daneben befindet sich die LVS-Kontrollstation. Es existieren 6 Varianten, jeweils drei auf unserer Seite und drei auf Hochfilzener Seite, unterteilt in Anfänger, Fortgeschrittene und Profis. Alles ist mit Streckentafeln super bestückt und wenn man zwischendurch oben einmal abfährt auf die Hochfilzener Seite, dann bringt man es auf 1200 Höhenmeter, was durchaus einer flotten Skitour entspricht. Beleuchtet sind die Strecken abends allerdings nicht.“MM: „Welche positiven Effekte verspricht man sich davon? Auch in punkto freundlicher Stimmung gegenüber ,untypischen Gästen‘?“Günther: „Letzten Winter war im Sportshop bereits eine Umsatzsteigerung im Tourenbereich und in der Gastronomie von fast 30 % zu verzeichnen. Es ist zu erwarten, dass sich die Erfolge im Laufe der Jahre potenzieren. Es stellt sich eine positive Mundpropaganda für unsere Region ein und wir verspüren diese Stimmung einerseits im Sportshop, andererseits sind die Tourengeher in der Regel auch Skifahrer. So gesehen spricht man als Pistenbetreiber teilweise auch Leute aus der ursprünglichen Zielgruppe an! Wenn wir also über diese Geschichte unseren Bekanntheitsgrad steigern können, ist dies ein willkommener Effekt.“

Paul Günther am Beginn der Aufstiegsstrecke für die Tourengeher, mit einer der professionellen Markierungstafeln in der Hand. Foto: mak

MM: „Warum klappt es bei euch und anderswo  noch nicht? Müssen alle grundsätzlich umdenken?“Günther: „Wir haben natürlich schon einen Vorteil. Wir sind ein relativ kleines Wintersportgebiet, bei dem durch meine Person vieles in einer Hand liegt. Ich habe über die Bergbahn auch mit den 42 Grundbesitzern ein gutes Einvernehmen. Bei uns müssen sich nicht mehrere Chefs aus verschiedenen Unternehmen zusammenraufen, sondern es besteht eine Personalunion. Daher ließ sich das Projekt so rasch umsetzen. Grundsätzlich muss es in einer Region Leute geben, die eine Lösung suchen wollen. Je mehr Spieler jedoch beteiligt sind, umso mehr Kommunikation muss stattfinden. Es ist langatmiger einen Konsens zu erzielen – und das tun sich viele nicht an.“MM: „Wenn aber bereits ein Vorbild wie z. B. das eure existiert, müsste das doch andere Gebiete auch animieren?“Günther: “ Ja, die Salzburger Region Saalfelden-Leogang ist so ein Fall. Die werden fast „zwangsverpflichtet“ durch unsere Situation. Hier hat sich der Tourismusverband das Ziel gesetzt, die Umsetzung innerhalb von 5 Jahren zu schaffen. Diese Zeit werden sie auch brauchen. Der Beginn ist am liftlosen Biberg (Terrain der längsten Winterrodelbahn Österreichs), erst dann wird Leogang mit seinen Pisten anpacken. Diese sind jedoch im Gegensatz zu uns aus dem Wald herausgeschlagen, so dass wenig Ausweichmöglichkeit besteht. Aber wenn man wirklich will, findet man überall eine passende Lösung – unter Umständen muss man die Aufstiegsstrecke(n) eben abzäunen. Alles beginnt bei der positiven Einstellung für diesen Sport. Die Lösung selbst wird aufgrund unterschiedlicher Gegebenheiten immer individuell ausfallen.“

Im Sommer ist die Gegend ein Wanderparadies. Auch ein „Blumenlehrpfad“ wurde angelegt.

MM: „Sollte sich jedes Skigebiet auch mit dem Tourenskisport beschäftigen, oder genügen einige wenige Zentren für diesen Boom?“Günther: „Nur eine Handvoll solcher Tourenski Competence Center würde nicht ausreichen – man braucht nur in den Raum Innsbruck schauen oder nach St. Johann, welcher enorme Bedarf nach einem echten Angebot hier gegeben ist. Ich bin auch fast überzeugt, dass in etwa 5 Jahren dieses Segment Tourenskigehen zum Standardangebot ganz selbstverständlich dazugehören wird, weil es sich letztlich keiner leisten kann, gegen einen Trend zu sein. Jedoch wird das Tourenskigehen weder die herkömmliche Skischule noch das alpine Skifahren ersetzen können. Eine gewisse Kenntnis vom Skifahren muss jeder Tourengeher sowieso haben, sonst könnte er ja nach dem Aufstieg gar nicht mehr abfahren. Ich glaube, dass durch das Pistengehen die Leute einige Stunden mehr auf den Skiern stehen und dadurch automatisch in ihrer Technik besser werden oder sogar sagen: ich gehe zwischendurch auch einmal alpin Skifahren, damit ich mir hinterher mit den Tourenskiern leichter tue. Es beherrscht ja auch nicht jeder Einheimische von sich aus das Tiefschneefahren. Daher kaufen sich viele eine Saisonkarte, um an schönen Tagen etliche Wiederholungsfahrten durchzuführen, weil sie z. B. das Tiefschneefahren üben wollen. Die Grenzen zwischen den Skifahrertypen sind jedenfalls nicht so starr, wie man meinen könnte.“MM: „Kann man also davon ausgehen, dass sich beim Verdienst mehr als nur die oft zitierte Umwegrentabilität einstellt?“Günther: „Es gibt ja Bestrebungen wie z. B. im Salzburger Land, die Möglichkeit für Tourenskigehen und das zur Verfügung-Stellen von Infrastrukturkeinesfalls kostenlos anzubieten. Bei uns wird das wie o. e. aufgrund der Präsenz von Gasthäusern im Gebiet anders geregelt (freiwillige Karte etc.).“MM: „Was halten Sie für die größte Herausforderung für die Zukunft?“Günther: „Für uns ist es der Erhalt unseres kleinen aber feinen Wintersportgebietes mitten im Großraum Kitzbühel. Aus dieser Perspektive betrachtet, können wir es uns sicher nicht leisten, eine Gruppe auszuschließen. Wenn alle die aufgestellten Regeln einhalten, ergibt sich letztlich eine Win-Win-Situation für alle. Die Qualität muss heute ohnehin top sein, auch bei den Kleinen, und das Preis-Leistungsverhältnis muss stimmen.“ mak