Mag. Makus Redl ist seit 2011 Chef der ecoplus Alpin GmbH, den landeseigenen Bergbahnen in Niederösterreich. Der ausgebildete Sportwissenschafter zeigt seit Jahren auf, wie Skigebiete angesichts des Klima- und demografischen Wandels eine erfolgreiche Zukunft haben können. Seine Ideen dazu hat der Harvard-Absolvent kürzlich in Buchform mit dem Titel „Das weiße Gold wird grün“ zusammengefasst. Tenor: die Transformation zum ganzjährigen Bergerlebnis ist unabdingbar.

Sie haben kürzlich ein Buch mit dem Titel „Die Zukunft der Skigebiete: Das weiße Gold wird grün!“ herausgebracht. Welche Motivation steckt dahinter, was wollen Sie damit anstoßen?

Ich bin 2016 zum Tourismuspresse-Blog der APA-Comm eingeladen worden, Beiträge zu verfassen bzw. die berufliche Praxis zu reflektieren. Bis heute sind daraus ca. 80 Beiträge geworden. Dieser Diskurs, den ich versuche hier zu führen, hat durchaus eine Resonanz hervorgerufen und ich wurde auch immer wieder darauf angesprochen. Das hat mich darin bestärkt, die Quintessenz zusammen zu fassen. Im Wesentlichen besteht der Inhalt des Buches aus Beiträgen aus dem letzten Jahr, ergänzt um Praxisbeispiele gelungener Transformation – wie jene bei der Wexl Arena in St. Corona am Wechsel oder die aus dem Pandemiemanagement entstandene Digitalisierungsoffensive. Neun von Robert Six illustrierte Zukunftsbilder zeigen auf, welche strategische Entscheidungen rund um das schneesportliche Angebot von Destinationen zu treffen sind, wie sich Infrastruktur und Kultur des Alpinsports weiterentwickeln lassen.

Prinzipiell bin ich der Meinung, dass wir von der Seilbahnwirtschaft uns aktiv am Diskurs beteiligen und unsere Argumente unbedingt einbringen sollten. Die große Diskussion, die wir führen lautet: wir leben in einer Zeit des geschäftlichen Umbruchs hin zum ganzjährigen Bergerlebnis, weg vom Geschäftsmodell einer eher kurzen, intensiven Skisaison — nicht nur in den Voralpen. Es geht darum, wie diese Transformation gelingen kann und sich der Schneesport-Tourismus weiter entwickeln lässt.

Natürlich hat das alles auch mit Klimawandel und Verlust der Biodiversität, demografischem Wandel und Digitalisierung zu tun. In Summe ist die Seilbahnwirtschaft extrem gefordert, die speziellen Rahmenbedingungen des jeweiligen Standortes klug zu nutzen. In Niederösterreich gehen wir diesen Weg seit 2011 und spüren daher manche Trends etwas früher.

Buchcover „Die Zukunft der Skigebiete: Das weiße Gold wird grün!“© ecoplus Alpin GmbH

Buchcover „Die Zukunft der Skigebiete: Das weiße Gold wird grün!“ © ecoplus Alpin GmbH

Ist die Quintessenz des Buch-Inhalts, dass wir uns intensiver auf den „Grünen Berg“ vorbereiten müssen?

Der Buchtitel ist natürlich augenzwinkernd gemeint. Da stecken mehrere Anspielungen drinnen. Etwa das „Weiße Gold“ des Skitourismus in Anspielung auf das „Schwarze Gold“ Öl – was ja ein nicht prolongierbares Geschäftsmodell ist, das aber jahrzehntelang sehr lukrativ war und Wohlstand gebracht hat. Das Zweite ist: „das weiße Gold wird grün“. Damit ist einerseits eine umfassende Ökologisierung als unsere Hausaufgabe gemeint. Wobei unsere Verantwortung nicht dort beginnen kann, wo der Gast bei uns aufschlägt, sondern wir müssen uns auch über die Mobilität im Vorfeld bzw. auch vor Ort Gedanken machen und über die Besucherlenkung.

Weitere Anspielungen sind das „weiße Band“ in der grünen Landschaft – was oft medial polemisch dargestellt wird – oder dass man da und dort, wie z. B. in Kopenhagen mit dem futuristischen Ski- & Freizeithügel Coppenhill, stärker in den Städten präsent sein soll. Hier bieten sich etwa auch Dry Slopes an, die ja bekanntlich oft in Grün ausgeführt sind.

Aber davon abgesehen ist die Hauptaussage sicher schon die, dass wir es u. a. aufgrund des Klimawandels mit weniger Weiß und mehr Grün in unserem Geschäftsfeld zu tun haben werden und diese Tatsache managen müssen.

Die Sommerbahnen sind ja eigentlich sogar das ältere Geschäftsmodell im Alpenraum. Sollen wir uns wieder mehr darauf besinnen?

Wir sind bereits in dieser Transformation, das Pendel schwingt wieder zurück. Ja der Tourismus hat einmal im Sommer begonnen, und zwar entlang der Bahnlinien von St. Anton bis zum Semmering. Viele Orte, die fast nur noch auf den Winter gesetzt haben, nutzen jetzt aus Strategiegründen vermehrt die Potenziale der Infrastruktur auch in den anderen Jahreszeiten. Man erkennt nun: das kann ja auch ein gutes Geschäft sein, sogar für uns als Seilbahn im Umfeld der Destination. Wenn wir es geschickt anlegen. Daraus entstehen letztlich strategische Möglichkeiten.

Natürlich brauchen wir jetzt noch den Schnee. Die Profitabilität bzw. Wertschöpfung ist ja um ein Vielfaches höher. Auf der anderen Seite: wenn man betrachtet, was mit der exzellenten Seilbahnstruktur z. B. im Glemmtal in Richtung Ganzjahrestourismus gelungen ist! Isabella Dschulnigg bestätigte mir, dass an guten Sommertagen bereits 14.000 Tagesgäste gezählt wurden!

Das spielt sich natürlich überall in den Alpen so ab. Jedoch alle müssen darüber nachdenken, was wir strategisch machen müssen, wenn die Winter immer häufiger so werden wie heuer (Regen, Föhnsturm, Wärme, teure Schneeproduktion etc.).

Parallelbetrieb von Winter- und Sommerangeboten in der Wexl Arena.

Parallelbetrieb von Winter- und Sommerangeboten in der Wexl Arena.

Die niederösterreichischen Skigebiete haben seit 2011 – also dem Zeitpunkt Ihres Eintritts in die ecoplus Alpin GmbH – eine erstaunliche Entwicklung genommen. Skizzieren Sie für uns bitte den Prozess.

Ein Weg, den wir beschritten haben, war ganz einfach die zu beschneiende Fläche zu reduzieren bzw. dass wir Skigebiete zurückgebaut haben. Wobei die Pistenfläche, die wir unbedingt brauchen, das Residuum, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Weihnachten funktionieren muss. Für diesen Bereich habe ich also eine höhere Schlagkraft. Gleichzeitig werden andere Areale frei für alternative touristische Nutzungen. Das bedeutet, man wartet nicht, bis nichts mehr geht, sondern dass man parallel Kompetenz und Gäste aufbaut. Es ist ja ein Unterschied, ob man es mit Skigästen oder Mountainbike-Gästen zu tun hat. Wir zielen darauf ab, auch im Winter Gäste zu haben, die flexibler sind – also z. B. am Vormittag skifahren gehen und am Nachmittag eine Alternative suchen, weil die Pisten zu sulzig sind, wie es heuer bereits im Februar war. Diese Leute gehen dann z. B. laufen im „Winter Trail Running“. Solche Entwicklungen brauchen wir.

Ähnliche Prozesse haben sich in den anderen ecoplus Skigebieten Annaberg, Hochkar & Ötscher Tourismus Erlebnisalm Mönichkirchen-Mariensee abgespielt.

Werden die Saisonübergänge künftig also fließend sein, oder soll es sogar, wenn möglich, einen Parallelbetrieb von Winter- und Sommerangeboten geben?

In Niederösterreich haben wir aus der Not heraus zu den Winterangeboten parallel z. B. Motorikpark, Alpine Coaster oder Zip-Line aufgesperrt. Jetzt müssen wir diese Flexibilität kultivieren und noch mehr forcieren. Diese Flexibilität kommt ja nicht von alleine. Sie ist ja nicht nur eine Identitäts- bzw. Kulturfrage unseres Unternehmens, sondern sie berührt auch rechtliche und organisatorische Fragen. Ja wir müssen die Dinge teilweise parallel laufen lassen können, wir müssen schneller wechseln können

Ein Erfolgsbeispiel für diese Strategie ist die Wexl Arena in St. Corona am Wechsel u. a. mit dem Produkt der Wexl-Trails samt Bikepark. Die Besonderheit ist, dass man hier die Saisonübergänge extrem kurz halten kann – teilweise innerhalb von zwei Wochen. Das ist sicher total ungewöhnlich, liegt aber daran, dass wir dort sowieso kaum Betten/Hotellerie haben, die mitziehen müssten, und auch die hiesige Topografie ist dabei förderlich.

Der Prozess gestaltete sich so, dass man anfänglich in der Wexl Arena  die Zielgruppe mit den kleineren Kindern (unter 10) in den Mittelpunkt gestellt und perfekt bedient hat. Dann ist das Mountainbike-Thema dazu gewachsen. Man hat es geschafft, dass sich diese beiden Zielgruppen nicht gegenseitig stören, sondern harmonisch ergänzen. Es kommt so rüber, als wäre es immer so geplant gewesen…Dabei war das ehemalige Skigebiet zuvor ins Strudeln gekommen, weil massivste Investitionen erforderlich gewesen wären. Zuletzt zählte man nicht einmal 50.000 Skier Days. Jetzt verbuchen wir 250.000 Ankünfte im Jahr, wobei der Winter wieder über 50.000 Skier Days liegt und der Sommerbetrieb zwei Drittel ausmacht. Wirtschaftlich gesehen sind beide Saisonen gleich stark. Das Thema Ganzjährigkeit wurde mit Motorikpark, Coaster, Erlebniswegen und MTB  erfolgreich besetzt.

Die Wexl Trails haben in St. Corona Erfolgsgeschichte geschrieben. Im Bild der Bikelift. © Erlebnisarena St. Corona (5)

Die Wexl Trails haben in St. Corona Erfolgsgeschichte geschrieben. Im Bild der Bikelift. © Erlebnisarena St. Corona (5)

Kann Ihr Ansatz / Geschäftsmodell eine Vorbildwirkung für die Bergbahnen im Alpenraum generell haben, oder beschränkt es sich auf niedrigere Lagen?

Hier bin ich vorsichtig. Ich bin voll dafür, dass man sich funktionierende Modelle anschaut und daraus versucht, für sich zu extrapolieren. Denn copy / paste klappt in diesem Fall nicht. Die Topografie sollte passen, um niederschwellige Einstiege wie z. B. via Slow Trails zu ermöglichen. Was man generell lernen kann, ist der Zugang zum Thema, die Flexibilität und die Mentalität, etwas auszuprobieren. Verwenden wir das Förderband, das wir rein für den Skibetrieb angeschafft hatten, auch einmal im Sommer. Lassen wir die Kinder mit dem Laufrad oder ersten Pedalierrad rauffahren und kleine Trails runterfahren! Beobachten wir, ob das angenommen wird. Das würde dem Pioniergeist, der in der Seilbahnwirtschaft immer da war, entsprechen!

Ich denke, der Prozess hat in der Branche bereits begonnen – siehe das Beispiel Gletscherskigebiete und ihr zunehmender Ausflugstourismus.

St. Corona scheint ein Paradebeispiel gelungener Transformation zu sein. Was hat es mit dem aktuellen TranStat-Projekt auf sich, worum geht es hier?

Dabei handelt es sich um ein Interreg-Projekt im Alpine Space-Programm. Der Lead-Partner ist eine staatliche französische Agentur, die für Regionalentwicklung im alpinen Raum zuständig ist. Es findet eine internationale Vernetzung von 10 Orten bzw. Skigebieten statt, die sich Gedanken über ihre Zukunft machen müssen, weil es bereits sehr sichtbare Herausforderungen durch den Klimawandel gibt. Die ecoplus Alpin GmbH. nimmt mit der Wexl Arena teil. Wir profitieren dabei vom Austausch untereinander in so genannten Livings (?) Labs. Die Kultur in unserer Seilbahnwirtschaft ist ja erfreulicherweise generell eine, die offen ist gegenüber den Kolleg:innen.

Detail vom Motorikpark.

Detail vom Motorikpark.


Die ecoplus Alpin engagiert sich außerdem für Nachwuchsinitiativen. Können Sie uns mehr dazu sagen?

Wir haben über die Jahre Verschiedenes probiert. Etwa die Initiative „Volksschulen zum Schnee“. Denn die ersten Kontakte zum Schneesport sollen möglichst früh erfolgen, nicht erst in Schulskikursen der Sekundarstufe 1. Ziel war, dass jeder dritte Schüler bzw. Schülerin im Laufe der Volksschulkarriere einen perfekt durchorganisierten Tag im Schnee erlebt hat. Allerdings kleiner Wermutstropfen: die Teilnehmer haben einen Gutschein für Freifahrt erhalten, wenn sie mit den Eltern oder Großeltern wieder kommen. Dieser Gutschein wurde praktisch nie eingelöst. Das heißt, im familiären Kontext bringt man das Ansinnen fast nicht rüber. Daher bin ich der Meinung, dass die ersten Gleit-/Rutscherfahrungen, die ersten Kurven, vermutlich besser auf der dry slope direkt in der Stadt passieren sollten – dort, wo die Kindergärten und Schulen sowieso sind. Super abgestimmt vom Material her und dem Unterricht, so dass dann die nächsten Schritte auf dem Schnee erfolgen können. So holen wir vielleicht die Kinder ab, deren Eltern gar nicht skifahren. Der Landesskiverband Wien auf der Hohen Wand Wiese hat diese Taktik im Winter 23/24 in kleinem Maßstab bereits vorexerziert und uns von ecoplus Alpin zu Gesprächen eingeladen, um das Ganze zu erweitern. Es braucht ja dann für den nächsten Schritt die Skigebiete.  Die urban sports Angebote wie Pump Tracks, Kletterhallen etc. können und sollen also um dry slopes ergänzt werden, um Menschen in städtischen Gebieten in ihrem (polysportiven) Umfeld Lust auf Skifahren zu machen bzw. eine Schnittstelle zu Wintersportaktivitäten zu verankern.

Welche Entwicklungsprognose geben Sie für die Zukunft unserer Branche, wo liegen die Knackpunkte für den Erfolg?

Der Knackpunkt ist der: es gibt unsere Schnee affinen Gäste, die skifahren bzw. snowboarden oder auch Pistengehen. Wenn jedoch die Nachfrage und das Angebot abschmilzt, müssen wir die Infrastruktur anders auslasten. Und auch über die digitalen Möglichkeiten nachdenken, die wir haben. In Niederösterreich verzeichnen wir z. B. 60 % Online-Anteil. Dadurch ergeben sich auch Chancen zur Steuerung der Gästeströme – das geht bis zur Kontingentierung und Dynamic Pricing.

Das andere Thema ist: nicht jeder fährt Ski. Der Markt der Non-Skiers ist der größere. Die Frage ist, was wir denen verkaufen können? Manche machen bereits gute Erfahrungen mit

Ausflugsgästen oder auch Winterwanderwegen. Da kann uns noch viel einfallen…Zuerst einmal sollen wir die Begleitpersonen der Skifahrer abholen, die selbst nicht (mehr) skifahren. Dann gibt es die anderen Zielgruppen, die das Bergerlebnis an sich interessiert – egal zu welcher Jahreszeit. Rufen wir uns in Erinnerung, dass Befunde den Aufenthalt auf dem Berg als physiologisch wertvoll einstufen, sprich hohen Erholungswert bestätigen.

Es sollen daher nicht nur die „gesellschaftlichen Kosten“ des Bergtourismus ins Treffen geführt werden (CO2 Problematik), sondern dass es auch einen nicht zu unterschätzenden Nutzen gibt.

Die Skigebiete sind hier überaus stark aufgestellt: Auf extrem geringer Fläche (0,45 %der Alpenfläche sind Skipisten) finden 50 Mio. Besuche im Winter statt. Also eine enorm intensive Nutzung dieses Areals mit einem hohen Erholungswert. Wir können es sozusagen gut legitimieren, dass wir Menschen auf den Berg bringen. Es erhöht deren Lebensqualität, hat einen enorm positiven Effekt für das Wohlbefinden, bringt ihnen körperlich, geistig und seelisch etwas. Wohin werden die Leute sich zurückziehen, wenn es künftig in den Städten super heiß wird? Genau, in die Berge! mak